Warum ich doch immer wieder allen mein Studienfach erkläre

Zauberhafte, federleichte, bunte, sonnige, unbeschwerte Welt: Da ist sie wieder! Die Bachelorarbeit ist vorerst geschrieben und schon kam mein hüpfender Gang und mein Spaß am kreativ sein zurück 😀 (Na gut Bullet Journelling lass ich in dieser Logik mal aus :P)

Da hab ich heute früh doch gleich mal ein Geburtstagsgeschenk gebastelt und setze mich jetzt spontan an den ersten Blogpost seit gefühlten (oder echten? (was ist Realität? 😀 )) Eeeewigkeiten!

Warum? Weil mit der Bachelorarbeit ziemlich viel passiert ist! Nicht nur habe ich mir als Belohnung Freitag schon frühzeitig ein Loch in mein Ohr piksen lassen oder habe festgestellt, dass ich das erste Mal mit einer Arbeit genau da hingekommen bin wo ich von Beginn an hin wollte.

Viel mehr: Im Zuge der Arbeit habe ich mich (in geplanter und erfreulicher Weise) ausgiebig mit linker Theoriebildung beschäftigt (Foucault, Laclau, Hall, Butler…) und damit wie (deren Ansicht nach) Identitäten gebildet und Bedeutung geschaffen wird. Warum? Weil es in meiner Bachelorarbeit um „I wear what I am and I am what I wear“ geht – genauer: „Modediskurs in Indien – Ausprägungen eines Hindu-Nationalismus“.

Wenn man nur das ließt, glaube ich, könnte man sich so ziemlich viele Dinge vorstellen, die ich studieren könnte. Lösung: Religionswissenschaft.

Meistens wissen das die Menschen mit denen ich mich unterhalte bevor sie das Thema meiner BA erfahren. Deshalb gibt es dann meistens zwei mögliche Reaktionen darauf – so auch heute morgen:

  1. „Ach ja, weil mit Mode drückt man sich ja aus“
  2. „Ach ja, weil die Inder ja immer so traditionelle Kleidung tragen“

Diese Antworten sind beispielhaft dafür, weshalb ich in letzter Zeit immer öfter mein Studienfach verschwiegen habe, bei Rückfragen ausgewichen bin oder wenn es einfach nicht anders ging zu einer einstündigen Jessi-Erklärt-Die-Welt-Lektion übergegangen bin 😀

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Ja, auch wenn sich inhaltlich vieles ändert schmücke ich meine Texte noch mit der gleichen Art von Bildern 😛

Ich glaube mittlerweile, dass die als kulturwissenschaftliche(r) Religionswissenschaftler*in am wichtigsten zu erlernenden Fähigkeiten die folgenden sind: Nicht zu verzweifeln, wenn Gesprächspartner obiges sagen. Nicht darüber aufzuregen, wenn jemand fragt: „Dann erzähl doch mal – wie ist das mit DEM Islam?“. Und am wichtigsten: Die Ansichten der anderen nicht einfach nur kopfschüttelnd belächeln. Denn das führt nicht nur dazu, dass erst gar kein Gespräch stattfindet, sondern auch, dass man selbst das Gegenüber einfach nicht mehr ernst nehmen kann, und dann ein beide Seiten weiterbringendes Gespräch erst recht nicht mehr möglich ist.

Auch wenn wir (ich nehme hier mal zaghaft alle Kulturwissenschaften mit ins Boot) lernen, alles zu hinterfragen, auch wenn wir lernen, vieles zu „dekonstruieren“ und damit die Fähigkeit erlangen alles und jedem seiner/ihrer Wirklichkeitsvorstellung zu berauben – sollten wir das wirklich immer tun? Führt das nicht einfach nur dazu, dass niemand mehr mit uns reden will? (Hmm… wie viele Religionswissenschaftler*innen waren in der letzten Zeit – obwohl vielleicht aktuell relevant – in Talkshows etc. zu sehen?) Führt das nicht dazu, dass wir uns immer nur im Kreis drehen?

Doch bevor ich zu tief in die Fragestellung abtauche, wozu (Kultur-)Wissenschaft eigentlich da ist, zurück zum Thema: Warum bekomme ich den Drang mir bei solchen Fragen nur an die Stirn zu langen und aufzustöhnen?

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  1. „Ach ja*, weil mit Mode drückt man sich ja aus“

* „Ach ja“ ! 

?

Die Menschen scheinen immer genau zu wissen, von was sie da reden. Allein das stört (zumindest mich) immer sofort. Denn geht es nicht eigentlich hier um mein Fachgebiet? Wieso denken alle, nur weil sie eine Vorstellung davon haben oder es in ihrem Leben relevant ist, könnten sie mir hier was sagen?

Halt… Stopp… Genau das können sie nämlich! Nur weil ich mich auf eine andere Art und Weise („wissenschaftlich“, auf der Uni) damit beschäftige heißt nicht, dass ich „Experte“ im Leben anderer Menschen sein kann. (Und „Religion“ und „Kultur“ sind definitiv Teile der Lebenswelten (aller?) meiner Gesprächspartner!)

–> Ein Grund mehr, das Gespräch nicht schon nach einem „ach ja!“ (=“ich weiß das!“) zu beenden, auch wenn die Lust bereits hier bereits gründlich vergangen sein kann 😛

 

… Mit Mode drückt man sich ja aus …

oder noch besser: Neeee, mit Mode hab ich doch nichts zu tun! Was hat das bitte mit Identität zu tun?

Bis auf dass ich GENAU DAS NICHT mit Identitätsbildung meine, liefern mir ja eigentlich diese Aussagen exakt die Legitimation der Frage in meiner BA auf den Grund zu gehen 😉

–> Der Grund, weshalb hier bald Auszüge (umgeschrieben) zu lesen sein werden!

 

 

2. “ Ach ja, weil die Inder ja immer so traditionelle Kleidung tragen“

Hilfe, was in einem so kleinen Satz alles an Vorverständnissen drin sein kann! Obwohl ich zwar gerne andere Menschen belehre (ja, großer Bruder, ich gestehe mir endlich ein: Ich bin eine Besserwisserin!) wollen die meisten keine Belehrungen hören. Meine Rückfragen an die Aussagenden wären deshalb:

  • Was sind bitte „die“ Inder?
  • Wie kommt ihr von Hindu-Nationalismus zu „traditionell“?
  • Was ist für euch „traditionelle“ Kleidung, und warum denkt ihr tragen „die“ Inder das (alle)?

Genau wegen solchen Aussagen verschwieg ich in letzter Zeit immer mein Studienfach; denn hier ist es immer ganz ähnlich: Wenn ich Menschen nicht erklären muss, dass Religionswissenschaft NICHT Theologie ist, dann muss (warum „muss“ ich das eigentlich?) ich ihnen erklären, dass das mit der Definition von „Religion“ gar nicht so einfach ist! (Übrigens ist das sogar eine der Hauptfragen, mit der sich die ReWi beschäftigt :D) Genauso wenig wie die von „Hinduismus“, „Nation“, „Identität“ oder sogar „Mode“.

 

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Obwohl es zwar für mich und vielleicht (hoffentlich) die Wissenschaft von Vorteil ist, wenn ich darüber „forsche“, nachdenke und schreibe, was bringt es denn, wenn ich darüber nicht mehr mit „fachfremden“ Personen rede? Genau dann macht die Wissenschaft das, was sie nicht tun sollte: Sich in ihren Zimmern, am besten noch bei geschlossenen Fenstern, hinter Büchern oder dem PC Bildschirm vergraben und „die unwissenden Menschen da draußen“ belächeln oder darüber verzweifeln, was in der Welt (ihrer Meinung nach) so schief läuft. Wozu ist eine solche Wissenschaft denn bitte gut?

Erstens wissen wir nicht „mehr“, nur weil wir die Welt anders betrachten. Zweitens kann eine Kulturwissenschaft „Kultur“ nicht untersuchen, wenn niemand mir ihr redet oder man selbst nicht mehr mit den Leuten reden will.

Und mein persönliches drittens: wie kann ich mich über die Welt aufregen, wenn ich in meinem Uni-Kämmerlein sitze, sag was alles „falsch“ läuft und nicht lieber versuche mit dem Wissen – oder besser: speziellen Blickwinkel auf die Welt – auch etwas zu verändern?

Deshalb hab ich mich nach so vielen unzähligen Diskussionen dann doch wieder mit Elan an die Bachelorarbeit gesetzt

– Gut! (für meinen Stresspegel)

Deshalb  wird „FLUMMISDREAM“ in Zukunft ein politischerer „DREAM“.

– Besser!  (für mein Gewissen)

Deshalb erkläre ich jetzt wieder allen (zwar noch mit Stirnrunzeln und stummem stöhnen, aber hoffnungsvoll) mein Studienfach.

– Am Besten! (für hoffentlich alle)

 

 

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