Nein, auch heute geht es noch nicht um den Film, auch wenn der mittlerweile ja schon in den Kinos angelaufen ist. Wie ihr vielleicht bereits in meiner Überarbeitung von Teil I gelesen habt, ist die Story ja doch nicht ganz die gleiche wie in den Comics und kommt dem Wunsch Marstons eigentlich nicht entgegen. Dieser hatte seine Wonder Woman nämlich mit der Absicht konzipiert, die Wahrnehmung der Geschlecht zu verändern und die Hierarchie, in der Männer Frauen beherrschen aufzubrechen:
William Marston – ein feministischer Autor?
Um diese Frage zu beantworten gibt es mindestens zwei mögliche Blickwinkel: Marston als Person und den Versuch der Umsetzung seiner Vorstellungen in Wonder Woman.
Marston, in feministischer Hinsicht gar kein Kind seiner Zeit, selbstbehaupteter Erfinder des Lügendetektors und promovierter Psychologe war bekannt dafür, dass er populäre und akademische psychologische Ansichten und Methoden oftmals vermischte. Daher kommt auch seine (populärwissenschaftliche) Bekanntheit. Die von ihm entwickelte DISC (Dominance, Inducement, Submission, Compliance) Theorie, der die Annahme zugrunde liegt, dass durch das Verstehen des Zusammenspiels dieser Aspekte die Psychologie zur Befreiung des Menschen beitragen könne, findet definitiv auch ihre Entsprechung in Wonder Woman, welche er seit 1941 bis zu seinem Tod 1947 konzipierte.
Ein gewisser Aspekt aus Marstons Privatleben wird in jedem Text über ihn angesprochen: seine für die damalige Zeit unübliche polyamouröse Beziehung mit seiner Frau Elizabeth und seiner (zweiten) Frau Olive Byrne. Diese kinderreichen Beziehungen bestanden bereits seit den 1920er Jahren bis zu seinem Tod und seine Frauen lebten auch danach noch über 40 Jahre zusammen. Diese sexuelle Aufgeschlossenheit übertrug sich auch auf Wonder Woman, die (leider bisher nur in den Comics) offiziell als bisexuell gilt. Der eigentlich bemerkenswerte Aspekt hieran (sowohl an seinem Privatleben, als auch Wonder Womans Bisexualität) ist aber, dass es alle bis heute noch wichtig finden, diese Besonderheit, die keine sein sollte, zu erwähnen. Genau das macht es nämlich immer wieder neu zu einer Besonderheit und verhindert damit die Normalisierung.
Ob nun die Idee Wonder Woman weiblich zu machen wirklich von ihm oder von seiner Frau Elizabeth stammt – diese behauptete das nach seinem Tod – Marston war der Ansicht, dass Frauen die besseren Anführer und Herrscher seien. Damit die Frauen seiner Zeit aber das nötige Selbstbewusstheit erhielten, konzipierte er Wonder Woman als starke Frau, die jedoch in anderer Hinsicht auch feminin und gefühlvoll sein kann.
„Wonder Woman is psychological propaganda for the new type of woman who should, I believe, rule the world.“ (Marston)
Wonder Woman war von ihm gedacht als Allegorie zu ihrem männlichen Prototyp (Superman) und deshalb mit starken physischen Kräften ausgestattet, allerdings grundsätzlich verletzlich, auch wenn ihre Armreifen Kugeln abstoßen können. Eigentlich sollte sie zu Beginn nicht derart starke physische Kräfte haben, jedoch wuchsen diese im Verlauf der Comics so stark an, dass mittlerweile nur noch Superman ihr ein Ebenbild sein kann. Der besondere Twist an Wonder Womans Kräften ist der, dass sobald ihr ein Mann Ketten an die Armreife anlegt, sie ihre Kräfte verliert. Marston zufolge würde dies mit allen Frauen passieren, die sich Männern unterstellen. Andersherum muss jeder Mann, der mit ihrem Lasso gefesselt wird die Wahrheit sagen: Die offensichtlichste Vermischung von Marston Beziehung zum Lügendetektor und seiner Vorliebe für Fesseln…
Obwohl Marston hier nicht die Gleichstellung der Geschlechter anstrebt, sondern wohl eher die Machtübernahme von Frauen, und obwohl seiner Wonder Woman Konzeption anscheinend ein bestimmtes Frauenbild (weich, liebevoll, friedliebend) und er damit wohl nicht mehr up to date mit dem aktuellen Feminismus ist – oder eher dieser mit ihm. In seiner Zeit gesehen war er jedoch ein bemerkenswerter Vorreiter, deshalb hier noch einmal seine Idee für Wonder Woman, die – meiner Meinung nach – auch heute noch verinnerlicht werden kann:
Wonder Woman steht für das Selbstbewusstsein aller Mädchen und Frauen – jede Frau kann Wonder Woman werden.
Noch folgend:
Teil III: Geschlechterbilder in Comics – wie soll denn Identifikation überhaupt möglich sein?
Teil IV: WonderWoman und Feminismus – Warum Populärkultur wichtig ist
Teil V: WonderWoman und Religion – wieso hab ich eigentlich ein Referat in Religionswissenschaft darüber gehalten?
Teil VI: Unsere Vorstreiter*innen und der Begriff des „Feminismus“ – die WonderWomans der Geschichte