Man kommt nach Hause, die Shoppingtaschen voller neuer Sachen. Eigentlich ist im Schrank gar kein Platz mehr, aber irgendwie geht das noch rein. Und so lange das noch geht muss ja auch nichts raus. Danach mal überlegen, eine Lösung wird sich schon finden …
Ein ganz normaler Tag? Leider oft. Trotzdem für mich nicht mehr das Richtige.
Nun gut, es ist ja nicht so, als hätte ich nicht schon früher, meistens beim Sommer- Winterklamottenwechsel, im Schrank mal ausgemistet. Rückblickend aber zeigt allein schon die Tatsache, dass in meinem Schrank nie genug Platz für meine ganze Kleidung war, dass da irgendetwas nicht stimmen kann. Es sind ja keine Saisonkleiderschränke, die Größe sollte eigentlich durchdacht sein.
Glücklicherweise darf man bei egal welchem Überseetransportmittel in der Regel nur ein Gepäckstück mitnehmen. Bei meinem Umzug ins verregnete Glasgow konnten deshalb nur die allerallerwichtigsten Stücke mit.
Und der Rest wird im Keller gelagert?
Falsch. Okay, die Sommerklamotten lagern wirklich, aber die hätte ich ja eh nicht mitnehmen können. Aber einmal da, ergriff ich gleich die Chance und mistete komplett und radikal aus! Denn mir war klar: Alles, was ich jetzt nicht mitnehme und so mindestens ein Jahr nicht trage, werde ich danach auch nicht mehr anziehen. In den Koffer wanderten also nur meine liebsten Pullis, Hosen und Shirts, Kleider blieben bis auf eine Ausnahme in Aufbewahrung für den Sommer, ebenso wie alles, was einfach niemals nie weg darf, wie meine gefühlt tausend Erinnerungs-Kapuzenpullover.
Als der Stapel der aussortierten Kleidung immer höher und höher wurde, bahnte sich allerdings so langsam die Frage danach an:
Wohin eigentlich mit den ganzen Sachen?
Für mich war es von vornherein klar, dass ich nichts in die Altkleidercontainer werfen werde. Denn egal ob ich für meine Sachen noch etwas bekomme oder nicht, ich will, dass sie dorthin kommen, wo ich sie ohne schlechtes Gewissen selbst hingeben würde. Deshalb:
- Die spaßige Lösung
Die einfachste, lustigste und schnellste Option: An einem Tag alle Freund*innen einladen und sie in den Haufen wühlen lassen. Vielleicht bringt sogar jede*r was mit, dann haben alle was davon. So sieht man, dass die Sachen weiterhin getragen werden und ist live mit dabei, wenn freudestrahlend anprobiert wird. Fast wie gemeinsam shoppen gehen, nur noch viel besser!
- Die gewinnbringende Lösung
Natürlich kann man von seinen Freund*innen auch etwas dafür verlangen (oder aber sie geben einem mal was dafür aus), wenn man vielleicht jedoch mit dem Aussortierten an etwas Geld kommen will, empfiehlt es sich doch eher die Kleidung in Secondhand Geschäfte zu geben. Dachte ich. Leider wollte in meiner näheren Umgebung fast keiner meine Sachen nehmen. Entweder, weil es nicht die richtige Jahreszeit ist oder aber sie hätten es genommen, aber ohne mir dafür etwas zu bezahlen. Ganz ehrlich? Das sehe ich nicht ein! Natürlich haben die auch Kosten, aber warum sollte denn dann noch jemand was dorthin bringen?
In dem Fall wäre die sicherere Alternative selbst verkaufen, zum Beispiel in persona auf einem Flohmarkt oder auf Onlineplattformen wie Kleiderkreisel. Das ist halt zeitaufwändig, vor allem weil man von jedem Teil Bilder machen, und es bei erfolgreicher Vermittlung zur Post bringen muss. Außerdem liegt es bis zum Verkauf immer noch zu Hause rum. Lohnt sich, aber nicht für mich. Wie soll ich denn meine Kleider vom Ausland aus verkaufen?
- Die aufwendige Lösung für ein tolles Gewissen
Deshalb wandert der Rest meiner Ausmistaktion jetzt direkt zu einer Organisation im nächsten Ort, die persönlich die Kleidung im Ausland an Bedürftige verteilt. Alternativ gibt es noch Oxfam-Läden, Sozialkaufhäuser und andere soziale Einrichtungen. Am Besten einfach überlegen wer es bekommen soll und dann nachsehen wie es dort am schnellsten hinkommt!
Aber neue Sachen sind doch toll?
Angekommen sieht mein Kleiderschrank doch etwas leer aus. Ungewohnt leer. So langsam kommt der Drang, ihn wieder zu füllen. Denn ich will ja nicht lügen: Auch ich kaufe gerne Neues, trage gerne Kleidung zum ersten Mal und mag es einfach mich in jedem Kleidungsstück etwas anders zu fühlen.
Aber ziehe ich jetzt deshalb gleich wieder los und kaufe tonnenweise billig produzierte Kleidung aus Stoffen, die sich eigentlich gar nicht so toll auf der Haut anfühlen? Nein, denn was am Besten an meinem neuen Kleiderschrank ist: Ich kann ihn jetzt langsam, nach und nach mit sogenannter Slow Fashion füllen. Da fühlt sich meine Haut und das Gewissen der Feministin im mir gleich viel besser an.
Zwar können natürlich Tauschen und Secondhandläden den eigenen Schrank nicht nur leeren, sondern auch füllen! Meine Lieblingsjacke zum Beispiel habe ich letztes Jahr in Paris in einem süßen kleinen Secondhand Laden gekauft. So an andere Kleidung zu kommen ist nicht nur ökologisch gut, sondern gerade deshalb schön, weil man als wahrscheinlich einzige Person dieses eine Kleidungsstück besitzt.
Was aber, wenn doch mal ganz neue Teile sein müssen? Dann lautet der erste Schritt: Nicht dem ersten kleinen Drang zum Kauf von zig neuen Sachen Folge leisten. Denn jedes Kleidungsstück sollte als einzelnes Stück Arbeit und Stoff wertgeschätzt werden. Das geht nicht, wenn auf einmal zwanzig neue Sachen daliegen und man schon beim Anprobieren den Überblick verliert. Das heißt aber auch, dass wenn ihr zur Slow Fashion umsteigen wollt, nicht erstmal alles wegwerfen müsst um dann neu anzufangen. Denn einfach so ausmisten ist auch nicht das Wahre. Also lieber die alten Sachen zu Ende tragen, damit auch die Arbeit darin nicht umsonst war und erst, wenn man wirklich etwas Neues will, sich so richtig auf die einzelnen Teile freut, heißt es: loslegen!
Doch lässt die Mode, lässt „modisch sein“ das zu? Ist sie nicht dadurch gekennzeichnet, dass sie stets aus der Kombination von schon da Gewesenem etwas Neues schafft, und das am besten so schnell wie möglich? Mode ist saisonal begrenzt und kurzlebig, sie ist also von sich heraus ein Auslaufmodell.
Aber das heißt weder, dass man den Kleiderschrank nach einer Saison leerräumen muss, noch, dass die Kleidung um up to date zu sein unter schlechten Bedingungen für Mensch und Natur hergestellt werden muss. Denn erstens ist ja gerade das Schöne an der aktuellen Mode, dass Altes einfach immer wieder neu kombiniert werden kann. Dass man durch Mode seinen eigenen persönlichen Stil ausdrücken kann. Dass es eigentlich kein Kleidungsstück mehr gibt, dass unter dem Aspekt „Fashion“ nicht irgendwie getragen werden könnte. Und zweitens kann diese Kleidung trotzdem fair, unter gerechten Produktionsbedingungen, und ökologisch, in organischer Landwirtschaft, produziert werden. Damit man die Chemie nicht auf der Haut tragen muss und mit gutem Gewissen weiß, wohin das eigene Geld dann fließt.
Also, ja: neue Kleidung ist toll! Gefüllt wird mein Schrank jetzt aber nur noch mit fair gehandelter organischer Kleidung, denn da hat dann auch jede*r was davon!
PS: Als eine Woche nach meiner Ankunft im manchmal doch recht sonnigen Glasgow mein Koffer immer noch nicht vom Flughafen wiedergefunden worden war, und ich glaubt ihn nie wiederzusehen, habe ich es vielleicht doch ein klein bisschen bereut, zu Hause nicht mehr viel übrig zu haben, das Mama mir notfalls schicken könnte.
So glücklich über das Klingeln des Lieferanten war ich glaub ich noch nie gewesen!